Über die Situation der Vogelwelt im Kanton Schaffhausen

Auf Einladung des TURDUS Vogel- und Naturschutzvereins Schaffhausen referierten Stephan Trösch, Michael Widmer und Martin Roost am 27.10.2022 im Museum zu Allerheiligen über aktuelle Themen zur Avifauna Schaffhausen.

Der ursprüngliche Vortrag von Stephan Trösch zum Feldlerchen-Projekt 2022 im Kanton Schaffhausen wurde erweitert zum Titel «Situation der Vogelwelt im Kanton SH am Beispiel der Feldlerche und anderen ausgewählten Vogelarten».

Unter Beizug weiterer Co-Referenten zu relevanten Themen der Avifauna berichtete Michael Widmer ausführlich über das langjährige Brutvogel-Monitoring auf dem Randen (Heidelerche, Baumpieper, Goldammer) und Martin Roost über die Monitoring-Ergebnisse der Schafstelze im Kulturland von Ramsen-Hemishofen sowie die dort vorliegenden Probleme. Der Vortragsabend im Saal des Museums zu Allerheiligen Schaffhausen wurde von rund 65 Personen besucht.

Jeanine Bolt, Co-Präsidenten des TURDUS, sprach die einführenden Worte zum Vortragsabend.

Zur Erfoschung der Vogelwelt im Kanton Schaffhausen

Über die Avifauna der Region Schaffhausen besteht sehr wenig Literatur. Einzig das 2003 erschienene Buch über die Brutvögel des Kantons Schaffhausen, erschienen als Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft, gab einen zusammenfassenden Überblick. Allgemein sind Angaben über die Vögel der Region SH in den nationalen Werken zu suchen, z.B. die Brutvögel der Schweiz (Glutz von Blotzheim, 1962), der Historische Brutvogelatlas der Schweiz (Knaus, 2011) oder der Schweizerische Brutvogelatlas 2013-16 (Knaus et al., 2017). Als Perlen historischer Datensammlungen aus dem Kanton Schaffhausen sind das «Verzeichnis der im Kanton Schaffhausen vorkommenden Vögel» von Prof. Emil Aug. Goedlin, veröffentlicht 1879 im Journal für Ornithologie, und das Tagebuch von Tierarzt Johann Jakob Pfeiffer von 1880 aus Neunkirch zu nennen. Letzteres wurde in einer aktuellen Veröffentlichung (Weibel & Schümperlin, Ornith. Beobachter, Bd. 116, Heft 2, 2019) gewürdigt und beschrieben.

Differenziertere Informationen über die Vogelwelt im Kanton SH und Umgebung sind erst mit der Gründung der «Ornithologischen Arbeitsgruppe Schaffhausen OAS» Ende der 1980er Jahre zustande gekommen (Zusammenschluss interessierter Vogelkundigen aus der Region SH). Initiant der OAS war damals Michael Widmer, dem sich bald weitere Ornis wie Roland Marti, Martin Roost, Urs Weibel und Stephan Trösch als Co-Autoren der jährlich erschienenen Berichte zur Seite stellten. Unverhofft waren die drei Hauptprotagonisten und mehrere damals bereits Aktive der 2005  ausgelaufenen OAS am Vortragsabend – über 30 Jahre später – vereint anwesend. Aus der 2021 wieder reaktivierten OAS ging im Sommer 2022 der «Verein für Avifaunistik & Feldornithologie Region Schaffhausen» hervor.

Seit Ende der 1980er Jahre hat die Ornithologische Arbeitsgruppe Schaffhausen OAS Daten zur Erforschung der Vogelwelt in der Region Schaffhausen gesammelt. Die bis 2005 jährlich erschienenen Berichte informierten zusammenfassend über das Vogelgeschehen. Das 2003 erschienene Buch "Brutvögel im Kanton Schaffhausen" ist das einzige aktuelle Werk über die regionale Vogelwelt. Grafik: Stephan Trösch

Vogelartenliste Kanton SH und Rote Liste

Stephan Trösch gab in seiner Einführung zur Erforschung der Vogelwelt im Kanton SH auch eine Übersicht der aktuellen Roten Liste der bedrohten Brutvogelarten (2021). Auf der Basis der von Urs Weibel jährlich zusammengestellten Artenliste der Vögel der Region Schaffhausen lassen sich auch Zahlen zu der Gesamtliste ableiten.

Zusammenstellung der im Kanton Schaffhausen Vogelarten, die auf der nationalen Roten Liste der bedrohten Vogelarten stehen. Grafik: Stephan Trösch

Feldlerchen-Projekt 2022

Über die Ergebnisse des Citizens Science Projekts, das von der OAS in Zusammenarbeit mit dem Planungs- und Naturschutzamt des Kantons Schaffhausen zustande kam, wurden im September 2022 die am Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Projektleiter Stephan Trösch umfassend informiert. Am Vortragsabend erhielt nun auch die Öffentlichkeit Kenntnis über das Projekt und die Resultate. Das Projekt wurde/wird auf dieser Website ausführlich behandelt, weshalb hier auf eine detaillierten Bericht verzichtet wird. Siehe Projekt Feldlerche.

Gesamtergebnis des Feldlerchen-Projekts 2022 im Kanton Schaffhausen. Das Zentrum der Verbreitung liegt im Klettgau. Es kann 2022 von einem Bestand von 800-900 Feldlerchen-Revieren im Kanton SH ausgegangen werden.

Lebensraum Kulturland und Rebberge Klettgau

Stephan Trösch berichtete ferner über verschiedene Arten des Kulturlands, ein Lebensraum, der spätestens seit der nationalen Brutvogelerhebung von 2013/16 durch massive Verluste und dem Verschwinden von Vogelarten in den Fokus des Interesses gerückt ist.

So zählt die Grauammer mittlerweile zu den schweizweit bedrohtesten Vogelarten, was auch mit dem höchsten Gefährdungsstatus auf der neuen Roten Liste 2021 zum Ausdruck gebracht wird. In diesem Blog wurde dazu bereits ausführlich berichtet. Mit einem weiterhin stabilen Bestand kommt das Schwarzkehlchen im Kulturland vor und die Dorngrasmücke hat offenbar von den trockenen Brutzeitperioden profitiert. Ihr Vorkommen im mit Brachen durchsetzten Kulturland ist geradezu «explodiert».

In den Rebgebieten im Kanton Schaffhausen ist der Bluthänfling weiterhin ein Charaktervogel und kommt mit einer guten Präsenz vor. Vom im Kanton Schaffhausen vielfältig sich präsentierenden Lebensraum «Rebberg» profitiert ferner der Wendehals, eine wärmeliebende Art und ein Nahrungsspezialist (Ameisenpuppen) mit einem etablierten Bestand von 15- 20 Brutpaaren. Eine Renaissance erlebt derzeit die Zaunammer, welche noch vor wenigen Jahren eine Seltenheit war und nur in einem isolierten Vorkommen bei Stein am Rhein und bei Stammheim ZH zu finden war. Inzwischen besiedelt die Art die Rebberge zwischen Löhningen, Siblingen, Oberhallau, Hallau und Wilchingen-Osterfingen, mit einer wahrscheinlich zunehmenden Tendenz.

Als herausragendes Ereignis darf die Wiederbesiedelung der Schaffhauser Rebberge durch die landesweit bedrohte Heidelerche angesehen werden. Bis in die 1990er-Jahre mit einem sehr kleinen Bestand, dann jahrelang abwesend und im Jahr 2014 bei Oberhallau wiederentdeckt, erweist sich seither das Vorkommen etabliert. In den letzten zwei Jahren hat die Heidelerche ihr Areal im Klettgau ausgedehnt. So wurde 2022 neu das Rebgebiet bei Gächlingen mit 2 Revieren entdeckt und mit Spannung darf die Besiedelung des Rebgebiets von Osterfingen erwartet werden.

Vorkommen der Heidelerche in den Rebgebieten des Klettgaus SH. Mindestens seit 2014 hat sich die Art als regelmässiger Brutvogel etabliert und ihren Bestand 2022 mit einer Arealausweitung gegenüber den Vorjahren verdoppelt. Foto und Grafik: Stephan Trösch

Das Brutvogel-Monitoring auf dem Schaffhauser Randen

Seit 27 Jahren werden auf den Randenhochflächen die Kulturlandvögel systematisch erfasst. Michael Widmer berichtete ausführlich über die positive Bestandsentwicklung der Heidelerche auf dem Randen, welche wohl als Folge der Artenförderungsprojekte von den Lebensraumverbesserungen profitiert hat. Von 1996-2010 konnte bei der Heidelerche eine leichte Zunahme des Bestands bis max. 14 Reviere festgestellt werden, während zwischen 2011 und 2018 der Bestand zwischen 6 und 12 Revieren stagnierte. Seit 2019 ist der Bestand auf den Randenhochflächen und dem Emmerberg unerwartet regelrecht in die Höhe geschossen, mit einem vorübergehenden Maximum von 35 Revieren 2020! Zusammen mit der ebenfalls positiven Entwicklung der Art im Klettgau bilden die insgesamt 47 Reviere im Kanton SH 2022 einen Rekord und im nationalen Vergleich einen Anteil von rund 15%!

Bestandsentwicklung der Heidelerche auf den Randenhochflächen Schaffhausen. Grafik: Michael Widmer.
Arealausdehnung der Heidelerche seit 2020 im Gebiet des Randens. Vergleiche auch die Informationen im Klettgau. Grafik: Michael Widmer

Eine weitere Art, die alljährlich auf den Randenhochflächen erfasst wird, ist der Baumpieper. Die Art hat seit den 1990er Jahren schweizweit massiv abgenommen, praktisch das ganze Schweizerische Mittelland wurde geräumt. Generell hat die Art unterhalb von 1100m Terrain eingebüsst, was auch die Alpentäler betrifft. Im Kanton Schaffhausen kommt auf dem Randen eine noch stabile Population von rund 50 Brutpaaren (2022) vor, die letzte intakte dieser Art im östlichen Jura (deutlich mehr als die Kantone AG, BL und ZH zusammen). Das weiterhin gute Resultat dürfte im hohen Anteil an Vertragswiesen mit später Mahd (nach dem 01. Juli) sein. Zudem werden viele Wiesen mit dem Balkenmäher gemäht, was sich positiv auf das Insektenreichtum auswirkt.

Bestandsentwicklung des Baumpiepers auf den Randenhochflächen und dem Emmerberg 1996-2022. Grafik: Michael Widmer

Brutbestandserfassung des Neuntöters 2020

Unter der Initiative und Koordination von Michael Widmer fanden 1985 und 2005 die ersten beiden Projekte zur Brutbestandserfassung des Neuntöters im Kanton Schaffhausen statt. 2020 wurde das Projekt, an dem sich 21 freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligten, wiederholt. Mit 202 festgestellten Revieren liegt der Bestand deutlich höher als in den Projekten von 1985 (n=130) und 2005 (n=140). Untersucht wurden mit dem Projekt auch der Zustand der Hecken und die Struktur der unmittelbaren Umgebung der Hecken. Weitere Informationen folgen demnächst auf der Projektseite.

Neuntöter-Bestandsaufnahmen 2020 im Kanton Schaffhausen. Darstellung der Ergebnisse. Grafik: Michael Widmer

Monitoring der Schafstelze im Kanton Schaffhausen 2021

Martin Roost befasst sich seit vielen Jahren mit dem Vorkommen der Schafstelze im Kanton Schaffhausen. Im Jahr 2021 fand im Auftrag der Schweizerischen Vogelwarte Sempach eine Bestandsaufnahme südlich von Ramsen, dem einzigen Vorkommensgebiet, statt. Unter Mitwirkung von Ursula Bornhauser, Martin Roost, Clemens Gnädinger, Matthias Amsler und Andreas Reich wurden im «Ramsemer Zipfel» alle Schafstelzen kartiert. Die Ergebnisse sind veröffentlicht worden und können hier heruntergeladen werden: ↓↓ Schafstelzenprojekt 2021 (pdf).

Der Referent erläuterte neben den Ergebnissen insbesondere auch die Probleme, welche das Überleben der Population in Frage stellen. Es geht im Wesentlichen um die Art und Weise der Bewirtschaftung der Kartoffelkulturen, in dem z.T. mit martialen Methoden, welche während der Brutzeit stattfinden, die Qualität der Ernte optimiert werden soll. Weiter Informationen dazu finden sich auf der Projektseite zur Schafstelze in dieser Website.

Ergebnisse der Bestandserfassungen der Schafstelze bei Ramsen SH. Grafik: Martin Roost

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